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Eine Reise durch die Co-Working-Spaces in und um Zürich

von Luzia Ehrbar

Foto: Impact-Hub beim Viadukt in Zürich, Udo Sollberger

Ein Nachmittag im Februar. Ich stehe schlotternd am Bellevue und warte auf meine Co-Worker. Für einen Nachmittag verlegt der Co-Working-Space Blau 10 den «Space» aufs Schiff. Mit der «Panta Rhei» der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft (ZSG) geht es nach Rapperswil und zurück: Vier Stunden Rundfahrt, vier Stunden Zeit zum Organisieren und Texten und sich buchstäblich frischen Wind um die Nase wehen zu lassen. Auf dem Wasser ist alles etwas langsamer und ruhiger: keine Autos, wenig Lärm. Der ideale Ort, um sich von der Hektik des Alltags zurückzuziehen.

Co-Working-Angebote sind voll im Trend. In Zürich gibt es inzwischen ein breites Angebot für jede Zielgruppe: von Eltern (Tadah) über Start-ups (SwissStartupFactory) bis zu etablierten Firmen (Headsquarter). Knapp 30 Co-Working-Spaces stellen Arbeitsplätze zur Verfügung. Grosse Firmen wie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) mit dem Büro Zürich nutzen den Co-Working-Space für die Kundenbindung und Reputation. Selbstständige wie Nicole Stadler mit gotalent teilen ihren Raum mit anderen, um die Mietkosten zu decken. Trotz aller Unterschiede eint die Co-Working-Angebote doch der Community-Gedanke: Workshops, Member-Boards, Vorträge oder schlicht die Kaffeeküche geben Raum für Austausch.

Wir sind zehn vom Blau 10 und finden problemlos im vorderen Teil des Schiffes Platz. Anfängliche Vierertische lösen sich schnell in Zweiertische auf – es ist zu eng mit den aufgeklappten Laptops und ausgestreckten Füssen. Ergonomisch ist der Platz sicher nicht. Dafür ist es für die Augen angenehmer. Die grossen Fensterfronten führen den Blick immer wieder ins Weite: zu den Sturmleuchten am Steg, den dunklen Wolken am Horizont.

Die ZSG hat Anfang 2020 versuchsweise den Bug für Geschäftsleute reserviert. Für acht Nachmittage wird ein Raum im Motorschiff «Limmat» zum Co-Working-Space «Ahoi». 20 Minuten berichtete. Kostenloses WLAN, 24 Arbeitsplätze und Kaffee und Snacks sponsored by Zürcher Kantonalbank. Über den ZKB-eigenen Co-Working-Space «Büro Zürich» konnte man einen Platz reservieren. Kosten fielen nur für das Billet an. Die grosse Nachfrage zeigt, dass gemeinsames Arbeiten und Sich-Austauschen den Nerv der Zeit trifft. Der vorerst letzte offizielle Termin auf dem Co-Working-Schiff ist der 16.03.2020. Voraussichtlich wird das Angebot auch im nächsten Jahr fortgesetzt.

Der Kellner kommt vorbei: Lionel bestellt erst einmal ein Bier. «Für die kreative Ideenfindung», sagt er. Melinda macht noch Mittag mit Riz Casimir. Ich nehme einen Cappuccino. Und wo sind die Steckdosen? Eine gibt es am Tisch. Wir wechseln uns ab. Hotspot einrichten und los geht es. Obwohl es kräftig windet, liegt die «Panta Rhei» ruhig im Wasser. Nach den obligatorischen Bildern und der anfänglichen Aufregung kehrt langsam Ruhe ein. Das Paar am Fenster unterhält sich gedämpft, nebenan raschelt eine Frau mit der Zeitung und ich komme langsam in den Flow.

Auch die Rhätische Bahn (RhB) ist buchstäblich auf den Co-Working-Zug aufgesprungen. Seit 2019 kann man den InnoTren buchen, einen Panoramawagen mit Seminar-Ausstattung. Dieses Angebot richtet sich weniger an Einzelpersonen als an Gruppen, denn man mietet gleich den ganzen Wagen im Stillstand oder für die Fahrt von Landquart nach Davos und retour. Innovation, Austausch, Vorwärtskommen – das sind die Kerngedanken, zum Beispiel beim InnoCircle von Graubünden Ferien, wie die htr berichtete.

Nächster Halt: Meilen. Eine Familie steigt ein. Ein grosses Hallo, die Kleine weint und die Grosse nimmt den Spieltisch im Bug in Beschlag. Nach einer Viertelstunde hat jeder seinen Platz und sein Spielzeug gefunden. Wer als Co-Worker auf dem Schiff arbeitet, sollte sich nicht allzu leicht ablenken lassen. Wer hoch konzentriert in Stille arbeiten will, muss entweder ein 1.-Klasse-Billet lösen oder im Einzelbüro bleiben. Hinter mir werden Methoden zum Neurolinguistischen Programmieren ausgetauscht, gegenüber werden die Vorteile des neuen I-Pads erklärt – und das Pärchen bittet um die Rechnung.

Nicht nur auf dem Wasser oder auf der Schiene ist Co-Working angekommen, sondern auch in den Bergen. In Adelboden eröffnete 2019 das «Mountain Lab». Wo andere Ferien machen, stellt das Tourist Office Arbeitswilligen Raum zur Verfügung. Auf 1350 Metern Höhe kommen mit der frischen Luft die kreativen Ideen. Fernab der Stadt bietet Adelboden so Arbeitsatmosphäre und Ferienstimmung gleichzeitig. Das ZDF hat sich das kürzlich angesehen.

In Rapperswil gibt es einen kurzen Zwischenhalt. Lionel und Annika schnappen auf dem Deck frische Luft. Die Rückfahrt vergeht wie im Flug. Zwischenzeitlich wähnt man sich wirklich in den Wolken, so stark regnet es. Das macht es drinnen nur noch gemütlicher. Ich schreiben einen Text für die Glarner Agenda und such in Infogram die richtige Visualisierung. Mathias bastelt an seiner Präsentation. Im Büro bringen ihn Telefonanrufe und die Anliegen der Kollegen schneller von seiner Aufgabe ab. Als die «Panta Rhei» auf Zürich zusteuert, bin ich überrascht. Wir steigen aus, machen noch schnell ein Gruppenfoto vor dem Schiff und verabschieden uns mit dem guten Gefühl, ein ganzes Stück weiter gekommen zu sein.

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