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«Face to Face» statt Facebook & Co.

von Luzia Ehrbar

Telefonieren war noch nie mein Ding. Als Jugendliche habe ich mich immer davor gedrückt. Während andere stundenlang mit Freundinnen an der Strippe hingen, habe ich den Telefonkontakt vermieden, wann immer es ging. Am schlimmsten waren Anrufbeantworter. Wenn beim dritten Versuch immer noch kein lebendiger Mensch am anderen Ende der Leitung war, habe ich notgedrungen mein Sprüchlein auf einem Zettel notiert und nach dem Piepton viel zu hastig vorgetragen. Trotz meiner Aversion gegen das Telefonieren – oder genau deswegen – habe ich Sprechwissenschaft studiert und bin in der Kommunikationsbranche tätig. Denn ich mag den direkten Kontakt ohne zwischengeschaltete Leitung – oder aktuell zwei bis zwanzigtausend Meter Abstand – am liebsten.

Augenblick bitte!

Am Telefon fehlt der Blickkontakt, dabei sagt so ein Augen-Blick oft mehr als tausend Worte. Wie andere Formen der Mimik und Gestik zählt er zur nonverbalen Kommunikation. So kann ich zwar auf Worte verzichten, aber nicht aufs Kommunizieren an sich. Dieser wichtige Teil des Ausdrucks bleibt beim Telefonat jedoch verborgen. Und auch die Videotelefonie ist da nur eine Krücke. Man muss schon über ausgeprägte Kameraerfahrung verfügen, um wenigstens den Anschein zu erwecken, dass man dem Gesprächspartner in die Augen schaut. Mein Blick wandert bei Zoom und Skype nur allzu häufig zu meinem eigenen Abbild und konfrontiert mich damit unversehens mit Fragen der Selbstinszenierung: Sitzen die Haare? Wieso schaue ich eigentlich so ernst? Vielleicht sollte ich mich doch lieber vors Bücherregal setzen?

Stockender Schlagabtausch

Läuft die Konversation beim (Video-)Telefonat zu zweit noch halbwegs flüssig, kommt sie bei drei und mehr Personen immer häufiger ins Stocken. Das sogenannte Turn-taking ergibt sich nicht mehr auf natürlichem Weg. Wo vorher Blicke, ein tiefer Atemzug oder eine Drehung des Kopfes die Übernahme der Sprecherrolle ankündigten, gibt es nun wahlweise eine Kakophonie von Wortmeldungen oder eine peinliche Pause. Wer ist jetzt dran? Die Situation muss nicht selten mit Worten geklärt werden und bekommt damit etwas Steifes oder sogar Schulmeisterliches: Luzia, bitte, du bist dran!

Einfach nicht lustig

Es braucht also eine klare Gesprächsführung, die die Sprecherrollen zuweist. Auf diese Weise kann zwar so manches Palaver auf den Punkt gebracht werden, aber die Unterhaltung ist trotzdem vor allem eines: einfach nicht lustig. Humor und Ironie sind kaum möglich, Anspielungen werden allzu leicht miss- oder gar nicht verstanden. Das Heben der Augenbrauen geht in der kritischen Selbstkontrolle verloren und lautes Lachen wirkt weniger ansteckend, weil es auf seinem Weg durch das überforderte Mikrofon zum knackenden Rauschen wird.

Manch einer mag sich über diese Reduktion der Kommunikation freuen, genüsslich den Avatar auf Skype einstellen und die morgendliche Konferenz gemütlich im Pyjama auf dem Sofa hinter sich bringen. Ich freue mich aber auf die Rückkehr zur direkten Kommunikation in all ihren Facetten, auf den schnellen Schlagabtausch und ein kaum merkliches Lächeln – eben auf Face to Face statt Facebook & Co.

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