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Nach der Lockerung des Lockdowns: ein Streifzug durch Schweizer Gasthäuser

von Luzia Ehrbar

Am 11. Mai 2020 öffneten die Restaurants in der Schweiz wieder offiziell ihre Türen für Gäste. Voraussetzung für die Lockerung des Lockdowns war das Schutzkonzept, welches am 5. Mai 2020 vom Branchenverband vorgelegt wurde. «So schützen wir uns» – das rote Plakat des BAG hat sich inzwischen in unsere Netzhaut eingebrannt und bestimmt mittlerweile automatisch den Umgang mit Mitmenschen: Abstand halten, Hände waschen statt Hände schütteln … Kann so Gastlichkeit entstehen? Mein Mann und ich wollten uns ein eigenes Bild machen. Am ersten Tag der Restaurantöffnungen starteten wir unsere Velotour auf der Herzroute von Zug nach Lausanne – und trafen auf leere Hotels, motivierte Mitarbeitende und ein Stück Normalität.

Von Desinfektionsmitteln auf Speisekarten

Am Abend des 11. Mai 2020 waren wir in einem Zuger Restaurant mit französischer und italienischer Küche. Draussen regnete es in Strömen und drinnen waren die Tische im hinteren Bereich fast alle besetzt. Auf unserer Reise wurde uns häufig eine Reservation empfohlen. Durch die Abstandsregeln verringern sich die Kapazitäten. Im Thuner Schlossrestaurant mussten wir tatsächlich auf der Schwelle umkehren. Am ersten Tag der Lockerung in Zug fanden wir jedoch einen grossen Tisch, neben Kerzen und Blumenschmuck eine kleine Flasche Desinfektionsmittel, Stift und Papier für Präsenzzeiten und Kontaktdaten. Pflichtbewusst notierten wir die Angaben – es sollte das einzige Mal auf der Reise bleiben. Listen lagen zwar überall am Eingang auf, aber ob wir uns eintrugen, kontrollierte niemand.

Die Richtlinien des Branchenverbandes sind zwar umfassend, lassen aber einen gewissen Handlungsspielraum, was unter «angemessenen Schutzmassnahmen» und «bedarfsgerechter Reinigung» zu verstehen ist. Da gab es laminierte «Corona-Speisekarten» – praktisch zum Desinfizieren –, gedruckte Exemplare zum Mitnehmen oder eine Tafel mit der aktuellen Auswahl an Speisen – kontaktlos zum Anschauen.

In Lausanne erlebten wir eine strengere Auslegung als in Zug. Am Lac de Leman war das traditionelle Restaurant sehr akribisch in der Reinigung: Zur Begrüssung hiess es «Hände aufhalten» für einen ordentlichen Spritzer Desinfektionsmittel. Tisch und Stühle wurden nach jedem Gast gründlich mit desinfiziert, ebenso das WC. Neben Sprachbarriere erschwerte das Face-Shield die Verständigung.

Menschen mit ohne Masken

Auch wenn die Gaststuben weitläufiger wirkten, die Tische weit auseinander, und die Mitte des Raumes meistens leer war, entstand ein Gefühl von Gastlichkeit. Dafür sorgte vor allem das Personal. Die Freude, nach der langen Zeit daheim wieder servieren zu können, war regelrecht spürbar, genauso wie eine gewisse Aufregung, alles richtig zu machen. Handgriffe mussten neu gelernt, Abläufe geändert werden. In Willisau waren wir die einzigen Hotelgäste und nach 20 Uhr auch die einzigen im Restaurant. Dafür wurde uns die ganze Aufmerksamkeit zuteil, vom Kellner bis zum Küchenchef. Auch der Besitzer kam am Schluss noch an den Tisch. Da noch nicht klar war, ob das Personal am nächsten Morgen rechtzeitig da sein würde, zeigte er uns kurzerhand, wo wir unser Frühstück finden und wie wir die Kaffeemaschine selbst bedienen können. Trotz Distanz haben wir so mehr Nähe erlebt.

Die andere Normalität

Nachts allein im Hotel, weniger Tische im Restaurant – rentabel kann das nicht sein, aber es ist ein erster Schritt in Richtung Normalität. Die Zeit des Lockdowns war keine erholsame, auch wenn man nicht zur Arbeit gegangen ist. Es fehlte die Leichtigkeit und Freizügigkeit. Die kommt nun Schritt für Schritt wieder zurück: Die Jassrunde trifft sich wieder im Landgasthaus. Der Witwer geniesst seinen Kaffee in der Gaststube (auch wenn er seinen Stammplatz wegen der Abstandsregeln nicht einnehmen darf). Die Handwerker machen Znüni-Pause und holen lachend den Doppelmeter raus: Sind das zwei Meter Abstand?

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