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«Public Newsroom» – ein Paradigmawechsel für die politische Kommunikation

von Andreas Viertler

Politische Kommunikation erlebt eine rasante digitale Transformation. Dank dem neuen «Public-Newsroom-Konzept», das wir bei Panta Rhei PR spezifisch für Gemeinden, Städte und andere politische Organisationen entwickelt haben, können Politik und Verwaltung ihr Publikum und andere Medien viel unmittelbarer erreichen. Der Kanton Glarus zeigt seit Mitte Juli, wie das konkret geht. Wir sind live mit dabei.

Medienwandel beeinflusst politische Kommunikation
Es ist ein Fakt: Die klassischen Medien leiden, deren Reichweite sinkt, Amtsblätter geraten unter Druck, Lokalradios stossen an publizistische Grenzen, die Bevölkerung ist auf klassischem Weg immer weniger erreichbar. Die Vielfalt der Publikationskanäle und die 24/7-Online-Gesellschaft können Behörden und Verwaltung ganz schön überfordern. Ausserdem haben politische Prozesse, Entscheide und komplexe Inhalte, die nicht einfach, anschaulich und visuell aufbereitet sind, online kaum eine Chance.

Pionierprojekt in Glarus
Die Regierung des Kantons Glarus beschreitet deshalb neue Wege: Mitteilungen der Regierung und der kantonalen Verwaltung werden online in einem «Public Newsroom» publiziert. Dazu hat der Kanton Glarus mit dem ehemaligen Radiojournalisten Roland Wermelinger erstmals einen Medienbeauftragten angestellt. Das Konzept und die Initialisierung stammt aus unserer Feder. Bewusst haben wir von Seiten Agentur ein breit aufgestelltes Beraterteam am Start: Blattmacher und Technikexperte, Publishing-Fachleute und Redaktorinnen.

«Newsroom» für politische Kommunikation
In der Privatwirtschaft ist das «Newsroom»-Denken ja unterdessen weit verbreitet – man könnte schon fast sagen, der Begriff wird inflationär gebraucht. Die Idee dahinter ist bestechend einfach: Alle, die kommunizieren, beschäftigen sich mit den wichtigen Schlüsselthemen der Organisation und arbeiten am gleichen Tisch. Kein Gärtchendenken zwischen verschiedenen Abteilungen mehr, so lautet die Devise. Das Projekt im Kanton Glarus folgt dem Ansatz des «Public Newsroom» – ein neuer Begriff für eine neue Form von politischer Kommunikation. Denn für einen «Newsroom», der von einer Regierung und der Verwaltung betrieben wird, gelten spezielle Rahmenbedingungen. Dies signalisiert der Begriff «Public Newsroom» ausdrücklich.

Virtueller Raum – gekoppelt mit Live-Treffen
Öffentlichkeit wird zuallererst geschaffen: gegen innen ebenso wie nach aussen. «Newsroom» steht also nicht für ein prestigeträchtiges Grossraumbüro mit flimmernden Bildschirmen. Der Begriff steht vielmehr für kollaborative Kommunikation, die historisch entstandene «Silos» aufbricht. «Public Newsroom» fokussiert sich also viel eher auf eine neue Kultur des Kommunizierens. Der «Room» selbst ist primär virtuell: Die Akteure arbeiten dezentral an gemeinsam definierten Fokusthemen und bereiten sie so auf, dass sie die Öffentlichkeit erreichen. Zudem treffen sich die Themenverantwortlichen regelmässig zu einem redaktionellen Austausch.

Früher: ein «Bulletin» der Regierung wöchentlich
Und wie setzt man diesen Anspruch nun in Glarus konkret um? Bislang publizierte die dortige Staatskanzlei einmal wöchentlich das «Bulletin» des Regierungsrats und punktuell einzelne Medienmitteilungen. Beim «Bulletin» wurden die für Politik, Verwaltung und die interessierte Öffentlichkeit relevanten Traktanden und Beschlüsse kurz beschrieben und als PDF-Dokument bereitgestellt. Dieses File wurde ebenfalls über E-Mail sowie klassische Medienarbeit verbreitet. Da unterschiedlichste Themen in ein und demselben Dokument verpackt waren, liessen sich die Inhalte weder gewichten noch visuell attraktiv aufbereiten. Kommuniziert wurde bislang fast ausschliesslich via Text. Visuelle Elemente wie Erklärfilme, Videos, Fotografien oder Infografik fehlten. Zudem waren die Inhalte rückwirkend per Suchmaschinen nicht auffindbar.

Nun: laufende News tagtäglich
Seit Mitte Juli gilt ein neuer, viel höherer Rhythmus. Die Verwaltung ist live und behält die Aktualität im Blick. Beleuchtet wird, was den Kanton beschäftigt. Relevanz heisst das Schlüsselwort bei der Themenwahl. Im «Public Newsroom» erscheinen so – online und unterstützt durch sämtliche Social-Media-Kanäle – News. Nicht mehr reiner Text, sondern stets logisch bebildert, richtig gewichtet und gut verschlagwortet, oft mit zusätzlichen Fakten und Dokumenten hinterlegt – für jene, die es genauer wissen wollen. Die Illustration mithilfe von Fotos, Icons und Infografik belebt die Mitteilungen und gibt ihnen einen substanziellen Mehrwert. Mittelfristig wollen wir einen Schritt weiter gehen: Audio-Podcasts oder Erklärfilme sind weitere Elemente für künftige Newsroom-Etappen.

Journalistische Kompetenzen gefragt
Das ist anspruchsvoll. Und dafür braucht es vor allem Fachkräfte. Deshalb hat der Kanton neu die Stelle eines «Newsroom»-Verantwortlichen geschaffen. Diese Rolle wird vom Kommunikationsverantwortlichen der Regierung, Roland Wermelinger (früher Radio SRF), wahrgenommen. Er koordiniert mit den Dossierverantwortlichen in den einzelnen Departementen und Abteilungen die Inhalte. Seine Mission: Er ist ein Anwalt des neuen, journalistischen Denkens. Will heissen, alle Mitarbeitenden, die Inhalte verfassen, werden auf diese publikumsnahe Umsetzung hin sensibilisiert und weitergebildet. Und dafür braucht es Agenturen, die eben das virtuose Zusammenspiel von Bild, Text und anderen Elementen, die heute in der Informationstechnologie state-of-the art sind, beherrschen.

Regierung unmittelbar involviert
Wichtig ist auch: Der «Public Newsroom» ist Chefsache. Die Berichterstattung aus dem Glarner «Newsroom» soll also die Legislaturziele und das Kommunikationskonzept des Kantons reflektieren. Schlüsselthemen werden frühzeitig aufgenommen, deren Kommunikation erfolgt, sorgfältig etappiert, rollend und nicht nur nach Regierungsentscheiden. Making-of ist genau so wichtig, Etappenziele gilt es zu zeigen. Und die ersten Rückmeldungen sind vielversprechend: Die lokalen Medien schätzen die proaktive Information der Regierung, die Politik ist laufend aufdatiert. Und die Bürgerinnen und Bürger sehen viel anschaulicher, womit sich die Verwaltung beschäftigt. Last but not least: Die Mitarbeitenden der Verwaltung werden noch direkter in die Kommunikation ihrer Projekte eingebunden, was mehr Engagement und Verantwortungsbewusstsein schafft. Letztlich ist ein «Public Newsroom» also auch immer ein Projekt, das die (Kommunikations-)Kultur verändert, gegen innen wie auch gegen aussen.

Hier weiterlesen:
Das Konzept «Public Newsroom», Fachartikel von Koni Nordmann und Dr. Reto Wilhelm in: Schweizer Gemeinde, 4/2019

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